Distributoren schließen Frachtfrei-Zonen, Patrick Ruppelt im Interview mit der IT Business
Die Ansage der Distributoren ist deutlich: Man werde allen Resellern die Frachtkosten auf Heller und Pfennig berechnen. Künftig gelten also für alle die gleichen Pflichten, egal ob Top-Systemhaus oder kleiner Online-Händler.
Die Zeit der Diskussionen ist vorbei. Künftig wird abgerechnet. Auch die Broadliner wollen die tatsächlich anfallenden Frachtkosten auf den Handel umlegen. »Frachtfrei war gestern« tönt der Ruf. Wie die Modelle aktuell aussehen, zeigt unser Überblick.
Zwar existierten auch bisher schon offizielle Preislisten für die Fracht – doch nur von einem Teil des Handels wurden sie 1:1 eingefordert. Das gilt in besonderem Maße für Broadliner, die die Frachtkosten jahrzehntelang mit der Produktmarge kompensieren konnten. Doch die Margen sind gesunken, die Kosten für Transport, Maut und Sprit dagegen gestiegen. Folge: Die Frachtkosten werden künftig eigens ausgewiesen und auf die Warenrechnung aufgeschlagen.
Verwundert rieb sich dennoch so mancher Partner im Juli die Augen, als IT-BUSINESS von der »Frachtfrei-ist-vorbei-Initiative« der Distributoren berichtete und in einer Übersichtstabelle die aktuellen Konditionen entsprechend der Aussagen der Distributoren vorstellte. »Die Angaben in dieser Tabelle haben mit dem realistischen Marktniveau nicht unbedingt etwas zu tun«, schrieb uns daraufhin der Vertriebschef eines Usinger Systemhauses. Viele Kunden würden von Distributoren frachtfrei oder zu günstigeren Preisen beliefert. Zahlreiche andere Reseller bestätigten dies und forderten unter anderem »eine klare Linie«, »kalkulierbare Frachtkosten für den Einkauf«, aber auch Modelle, die es erlauben, kleinere Posten wie beispielsweise Verbrauchsmaterial und Zubehör, kostengünstig und kurzfristig zu beziehen.
Klare Linie gefordert
Insgesamt zeigen die Reaktionen: Der Handel ist bereit, bei transparenten Bedingungen auch zu zahlen. Dann aber muss die Logistik- und RMA-Serviceleistung passen. »Es darf einfach nicht passieren, dass für zwei Geräte, die in einer Bestellung geordert wurden, zweimal Fracht verlangt wird«, stellt Patrick Ruppelt von Killus Computersysteme klar. »Wie die Distris ihre Verträge mit Zustelldienstleistern sinnvoll aushandeln, wie sie ihre Logistik funktional in den Griff bekommen und wie sie ihre Vertriebskanäle organisieren sollen – all das sind Fragen, die nicht der Händler und erst recht nicht der Endkunde zu klären hat.«
Aus Sicht von Dexxit-Vertriebsleiter Hans-Jürgen Schneider »werden die Frachtkosten im nächsten Jahr das ganz große Thema bleiben«. Angekündigt haben nun alle Broadliner, die Kosten auch tatsächlich umzulegen. Die Frage ist jedoch, wie konsequent dies auch umgesetzt wird.
Wie Distributoren die Situation einschätzen
Für jene wenigen Distributoren, die von ihren Kunden immer schon die Frachtkosten eingefordert haben, wird sich wenig ändern: »Wir sehen keinen Anlass, in absehbarer Zeit unsere Versandgebühren anzuheben, sofern die Kosten nicht völlig aus dem Ruder laufen«, erklärt beispielsweise Soft-Carrier-Geschäftsführer Thomas Veit. Anders sieht es bei den Broadlinern aus, die derzeit in intensiven Gesprächen mit ihren Kunden versuchen, erstmals diese Kosten tatsächlich auch einzufordern. Ähnlich äußert sich Delo zu dieser Frage. Trotz steigender Logistikkosten werde man einen Großteil der Kosten nicht an die Kunden weitergeben, da die Frachtkosten Bestandteil der ausgehandelten Konditionen sind.
Beim Saarbrücker Distributor Fröhlich + Walter sieht Marketingleiter Jörg Klawitter bislang ebenso wenig Handlungsbedarf: »Grundsätzlich bezahlen unsere Reseller-Partner die Kosten in Höhe von 4,35 Euro für Pakete bis zu einem Gewicht von 30 Kilogramm. Wer online bestellt, dem werden ab einer Bestellung im Warenwert von 300 Euro die Frachtkosten erlassen, allerdings nicht für Speditionsware. Mindermengen- oder Mindestbestellaufschläge gibt es bei uns nicht.« Auf diese Weise habe man die Preise für die Fracht lange konstant halten können. Eines komme für Fröhlich + Walter jedoch auch künftig nicht in Frage, wie Klawitter betont: »Wir werden jedenfalls nicht frachtfrei liefern und dann die Fracht auf die Produktpreise aufschlagen.«
Noch nicht alle Händler zahlen die ganze Zeche
In den vergangenen Jahren hatte ausschließlich der Straubinger Distributor Also nahezu als Einzelkämpfer nachdrücklich versucht, eine konsequente Wende im Umgang mit den Frachtkosten herbeizuführen, sprich, die Kosten auch tatsächlich zu verlangen. Seit diesem Sommer haben nun auch die Mitbewerber die Frage aktiv aufgegriffen.
Wie viele Ausnahmen gibt es?
Actebis Peacock gibt zu dieser Frage keine exakten Zahlen heraus. Also-Deutschland-Manager Thomas Kasper äußert dazu: »Es gibt große Kunden im Systemhaus- und Online-Umfeld, die heute generell in der Distribution frachtfrei beziehen. Wahrscheinlich ist der prozentuale Anteil derjenigen, die nicht bezahlen, nur klein. Aber gerade sie verursachen – bedingt durch die Umsatzstärke – mehr Frachtkosten als kleinere Partner, weshalb die Deckung der Frachtkosten in der Distribution generell viel zu gering ist.« Also Deutschland informierte ihre Kunden auch schriftlich über die Änderungen in der Frachtkosten-Verrechnung.
Ingram Micro ist gerade dabei, die bisherigen Kulanzregelungen zu ändern, wie Vice President Sales Marcus Adä erläutert: »Etliche unserer Kunden wurden lange Zeit frachtkostenfrei beliefert, was wir nun nicht mehr tun. An sie werden wir künftig Frachtkosten weitergeben. Generell arbeiten wir eng mit unseren Kunden zusammen, um für alle die kostengünstigsten Versandlösungen anbieten zu können, zum Beispiel durch gebündelte Sendungen, längere und festgelegte Lieferzeitpläne oder Direktlieferungen von Bestellungen an Endkunden im Auftrag von unseren Kunden.«
Bei Siewert & Kau Ware dagegen brauchen Fachhändler, die Ware im Wert von mindestens 250 Euro per Internet ordern, auch weiterhin keine Frachtkosten zu bezahlen. Ursprünglich zum Jahresende 2007 als befristete Aktion geplant, hat sich der Bergheimer Spezial-Distributor Anfang 2008 dazu entschlossen, dieses Angebot unbefristet fortzusetzen. »Was ursprünglich dazu gedacht war, unseren Vertrieb während des Jahresendgeschäftes zu entlasten, hat sich zu einer beliebten Bestelloption für unsere Kunden entwickelt«, begründet Geschäftsführer Björn Siewert diese Entscheidung.
Überzeugungsarbeit nötig
In persönlichen Gesprächen mit Reseller-Partnern hat auch Tech-Data-Chefin Simone Frömming deutlich gemacht, dass Frachtkosten künftig von allen bezahlt werden müssen. Laut eigenen Angaben begleicht der Broadliner bislang noch rund zwei Drittel dieser Kosten aus eigener Tasche. »Wir haben zahlreiche Kundengespräche geführt und dabei überwiegend Verständnis für unser Handlungsmodell gefunden«, berichtet Frömming. Die Tatsache, dass momentan alle Broadliner sich dieses Themas annehmen, sei hier bemerkbar. Zudem versuche man, Partner mittels verschiedener Anreize zu einem kosteneffizienten Bestellverhalten zu motivieren.
Auf die Frage, wie groß der Anteil jener Kunden ist, die alle anfallenden Frachtkosten komplett bezahlen, gab es bei Devil keine konkreten Angaben, allerdings stellte Devil-Chef Axel Grotjahn klar, dass man mit dem derzeitige Modell absolut kostendeckend arbeite. »Fachhandelspartner können bei uns online bis 13 Uhr bestellen und erhalten die Ware frachtkostenfrei geliefert. Wir haben damit spürbare Umsatzsteigerungen erzielt, und zudem verschiebt sich ein großer Teil des gesamten Umsatzes weiter in den Vormittag, was die Stoßzeiten ab 16.00 bis 18.30 Uhr entzerrt und uns somit Einsparungen bringt, da wir das bestehende Lagerpersonal besser auslasten können. Diesen Vorteil geben wir an unsere Kunden weiter.«
Mit etlichen Fachhandels-Kooperationen bestehen außerdem feste, vertraglich geregelte Frachtgebühren, wie Devil-Gesamtvertriebsleiter Jörg Hasselbach ergänzend anmerkt. »Darüber hinaus gelten unsere individuell vereinbarten beziehungsweise üblichen Frachtkonditionen.«
Fulfillment-Services werden stärker genutzt
Ein Hebel, den Reseller ansetzen können, um ihre Frachtkosten zu optimieren, sind neben der Bündelung von Bestellungen auch die Fulfillment-Services der Distributoren. Nach Ansicht von Soft-Carrier-Chef Thomas Veit werden diese Serivces auch erkennbar stärker angenommen: »Mit steigender Tendenz wird die Lieferkette verschlankt, die Lieferungen direkt an den Verwender durch den Distributor vorgenommen. Das ist ein sehr deutlicher Trend.«
Auch bei Delo erkennt man eine ähnliche Entwicklung: »Die Fulfillment-Services werden von unseren Kunden umfangreich genutzt. Hervorzuheben ist dieser Trend auch hinsichtlich der positiven Aufrechterhaltung das Retourenmanagements, der Kundenbetreuung und Entsorgung der Umverpackungen.«
Also-Deutschland-Manager Thomas Kasper sieht hier für Partner noch viel Potenzial: »Bisher nutzt lediglich ein kleinerer Teil unserer Kunden die Fulfillment-Services. Vor dem Hintergrund steigender Frachtkosten, fallender Produktpreise und gleichzeitig geringer werdender Margen, erwarten wir, dass dieser Anteil zukünftig steigen wird. Weil dadurch unnötige Transportwege eingespart werden können, ist diese Entwicklung unter ökonomischen und auch ökologischen Gesichtspunkten äußerst begrüßenswert.«
Bei Ingram Micro nehmen laut eigenen Angaben bereits 50 Prozent der Kunden die Fulfillment-Services in Anspruch, bei Devil sind es derzeit etwa fünf Prozent.
»Tendenziell erkennbar ist jedoch, dass die Auftragsgrößen in der krisenhaften Situation weiter sinken, die Fachhändler also tatsächlich nur nach Verkauf an ihre Kunden bestellen«, beschreibt Soft-Carrier-Geschäftsführer Thomas Veit einen weiteren Trend.
aus: IT Business, Redakteur Regina Böckle