Facebook wird staatlich
Boston (Massachusetts). Während Analysten nur die Börsenkurse im Auge behalten waren es Nutzer und Datenschützer, denen schon jetzt die aktuellen Nutzungsbedingungen von Google, Facebook und Co. ein Dorn im Auge sind. Verbraucherschützer kritisieren schon lange die ausartende Nutzung persönlicher Daten ohne entsprechendes Mitbestimmungsrecht des Einzelnen. Bereits im Oktober 2011 sagte Jon Callas, einer der weltweit führenden Computersicherheitsexperten und derzeitiger CTO der Sicherheitsfirma Entrust, die Verstaatlichung von Facebook und Google voraus.
Jetzt soll es soweit sein, auf einer kurzfristig einberufenen Konferenz in Boston, Massachusetts, einigten sich zunächst die USA, gesamtmehrheitlich Europas Vertreter, einige afrikanische Staaten und überaschend auch die Volksrepublik China auf einen internationalen Gesetzesentwurf, der bereits als Richtlinie vorbereitet wird und in den kommenden maximal zwei Jahren von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen ist.
„Die Vorteile für die Bevölkerung überwiegen bei Weitem die Bedenken um Datenschutz und persönliches Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen.“ ließ der britische Vorsitzende der Konferenz Eric Blair verlauten. In den USA sei es ohnehin längst so, dass Entwickler technischer Systeme gesetzlich verpflichtet sind, Hintertürchen für die US Ermittlungsbehörden, insbesondere des FBI, zum Zwecke der zielgerichteten Strafverfolgung einzubauen. Dies sei ein seit Jahren erprobtes Konzept, das man nun lediglich international und auf den privaten Sektor ausweiten werde. Durch die Nutzung insbesondere des Internetdienstes Facebook werde heute schon die frühe Jugend darauf konditioniert, bei jeder Gelegenheit GPS Positionierungsdaten für Statusupdates zu gebrauchen, in Fotos, die mit dem iPhone oder Android Geräten geschossen wurden, einzubetten oder sich gar gleich selbst an verschiedensten Orten zu „taggen“. Die kürzlich erst veröffentlichte auf dem Betriebssystem Android (zu deren Entwickler unter anderem Google gehört) basierende Kamera Samsung Galaxy wirbt ebenfalls mit diesen Leistungsmerkmalen. Genau dies ließe eine Vielzahl an Nutzungsmöglichkeiten durch die internationalen behördlichen Stellen zu.
Verbraucherschützer weist Blair zurück und verweist darauf, dass die Verstaatlichung von Facebook auf internationaler Ebene immer schon nur eine Frage der Zeit war. Facebook habe ein quasi-natürliches Monopol ähnlich wie es seinerzeit die ICANN zur Regulierung des Internets oder auch das international mehr oder minder anerkannte deutsche Institut für Normen (DIN) erlangt hätten. Aus Verbrauchersicht mache dies eine kostspielige staatliche Regulierung notwendig, die selbstverständlich alleine schon aus haushaltspolitischen Gründen eine positive Gesamtbilanz erforderlich mache. Die Kosten jedenfalls dürften die Staaten nicht auf den Verbraucher umlegen und man müsse sich daher ernsthaft Gedanken machen, welche Symbioseeffekte man sich zunutze machen könne.
Insbesondere im Rahmen internationaler Strafverfolgung sei es demnach künftig besser als bislang möglich, auf länderübergreifender Ebene zusammen zu arbeiten. Bei begründetem Verdacht sei es denkbar, die Datenerhebung sogar auf private Chat-Nachrichten auszuweiten, um Verbrechen nicht nur verfolgen zu können sondern vielmehr präventiv vorgehen zu können. Dies sei zwar kein direkter finanzieller Vorteil, um die Umsetzung der Richtlinie zu finanzieren, jedoch spare es an anderer Stelle erhebliche Kosten ein und sei darüber legitimiert. Einem Bericht der New York Times zufolge hatte US Präsident Barack Obama bereits 2010 angekündigt, sogar verschlüsselte Chat- und E-Mail-Nachrichten der Nutzer per Gesetz offenlegen zu wollen. Ähnlich regulativ, wenn auch ganz anders im Ergebnis, handhabte das im Grunde auch der Volksstaat China, in dem Facebook bis heute vollständig verboten ist. Man befürchte die private Meinungsmache und Meinungsfreiheit, die in nicht-demokratischen Ländern unerwünscht ist. Durch eine Verstaatlichung auf internationaler Ebene sei es möglich, den Bewohnern solcher Regionen einerseits die vielfach geforderte Freiheit zumindest im digitalen Leben zurück zu geben, andererseits aber nicht auf seine eigenen Vorteile verzichten zu müssen.
Letzteres ruft die Datenschützer erneut auf den Plan. Man denke nur an die derzeitig hitzige Diskussion um die Umstrukturierung der GEZ. Vielfach kritisiert wurde der Datenabgleich der Meldeämter mit dem neuen Einzugsservice der öffentlich-rechtlichen Anstalten, der möglicherweise verfassungswidrig ist. Solch kritisierte Aktivitäten könnten künftig der Vergangenheit angehören, wenn Hersteller wie der Multimedia-Riese Samsung seine Pläne in die Tat umsetzen sollte. Der jüngst erreichte Marktanteil im Mobilfunksegment werde nun auf weiße Ware ausgeweitet, Produkte hierzu habe man bereits seit Jahren im Einsatz und werde den internationalen Markt nun mit diesen überschwemmen. Wenn nun aber der Kühlschrank die Gewohnheiten des Benutzers kennt und über das Handy mittels Facebook sämtliche Daten vollkommen automatisiert abgleicht und in einer zentralen, internationalen Datenbank speichert, dann ist der Weg zur direkten Beeinflussung des Nutzers nichts mehr weit. Wer sich heute über „personalisierte Werbung“ gestört fühlt, der wird sich bald über von staatlichen Stellen vorsortierte Statusmeldungen im Facebook Feed freuen. Kein Wunder also, wenn der Aufruf zur Petition gegen die neue GEZ Regelung im Feed nicht mehr angezeigt wird, ich aber plötzlich Statusmeldungen zur Unterstützung fragwürdiger staatlicher Regelungen von Facebook Nutzern erhalte, die nicht einmal in meinem Freundeskreis sind. Selbstverständlich wurde dieser Teil nicht von Blair angesprochen und wird bisweilen auch in der Fachpresse noch erstaunlich verhalten diskutiert. Es ist komplettes politisches Neuland auf ganz anderer Ebene als bisher.
Wohl aber erwähnt wurde auf der Bostoner Konferenz, die in Fachkreisen den Titel Neusprache-Konferenz erhielt, dass die über-staatliche Regulierung in enger Kooperation mit den Finanzbehörden erfolgen werde. Immer wieder fühle sich der Bürger betrogen, so Blair, wenn in den Medien über Steuersünder im Ausland berichtet werde. Das sei ein globales Problem und gehöre durch automatisierte Bestimmung des Aufenthaltsortes und damit zeitgleich erfasster realer Wohnort-Steuerschuld ebenso der Vergangenheit an wie die zahlreichen weiteren Betrugsmöglichkeiten, gegen die es derzeit keinerlei wirkungsvolle Handhabe gebe. Privat genutztes Firmeninventar beispielsweise, das hierzulande als geldwerter Vorteil zu versteuern wäre, könne durch die neuen Gesetze besser aufgespürt werden.
Man könne laut Facebook heute bereits feststellen, wenn sich Benutzer im Ausland befänden und durch den Abgleich mit von Unternehmen bei den Finanzämtern eingerichten Belegen sei der Rückschluss auf tatsächlichen Urlaub oder eben steuerpflichtigen incentivierten Aktivitäten ein Kinderspiel. Ebenso könne man durch den Abgleich von privaten Fotos leicht feststellen, ob eingereichte Bewirtungsbelege tatsächlich einen geschäftlichen Zweck verfolgten oder die vermeintliche Geschäftsreise mit dem nicht mit 1% versteuerten Poolfahrzeug in Wirklichkeit eine Privatfahrt gewesen sei. Durch die Entwicklung der sogenannten Facebook Graph Search seien keinerlei technische Innovationen mehr notwendig, um dies auch real umsetzen zu können. Microsoft hat mit Windows 8 ebenfalls bereits klar dargestellt, dass man insbesondere Mobilfunktelefone, die aufgrund der integrierten Ortungs- und Kamerafunktionen äußerst interessant sind, zunehmend auf die vordergründige Nutzung mit Facebook optimiert und das Telefonieren nur noch ein Nebenprodukt ist. Ebenso hat der IT Gigant Apple mit seinem letzten Safari Browserupdate dafür gesorgt, dass der Nutzer nunmehr Facebook „besser nutzen könne“. Und nicht zuletzt seien die Kosten für die Umsetzung des Gesamtprojektes laut Blair ohnehin überschaubar, da diese laut ersten Analysten-Schätzungen innerhalb weniger Wochen alleine durch bisher unterschlagene Steuern finanziert sein müssten. Letztlich, so Blair abschließend, käme das somit auch den „honest people“, den aufrichtigen Steuerzahlern, zugute und sei damit selbsterklärend zum Wohle der Gesamtheit.