Fachkräfte- und Personalmangel bei Systemhäusern und Co.?

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Es ist interessant zu beobachten, wie different die hier geäußerten Meinungen zum Fachkräftemangel oder Personalmangel ganz allgemein in Deutschland dargestellt werden. Wie weit gehen wir denn mit der Definition einer Fachkraft? Das wäre eigentlich die erste Frage, der man sich stellen muss.

Ich stimme dem grundsätzlich zu, dass es zunehmend weniger einfach wird, wirkliche Fachkräfte in Deutschland zu finden. In den vergangenen sechs Monaten haben wir selber als orceo Gruppe einige Anzeigen, nicht nur auf der eigenen Webseite sondern auch bei den einschlägigen Portalen wie moster.de, dem Stellenmarkt der Süddeutschen Zeitung oder auch Branchenportalen wie Gigajob geschalten. Sowohl für uns, aber auch im Auftrag von Kunden und Kooperationspartnern. Ich kann mir daher ein Urteil erlauben.

Nehmen wir die Stelle des Senior Entwicklers. Um es gleich vorweg zu nehmen: Wir haben sie nicht mit einem Deutschen besetzt. In dem Fall scheiterte es nicht unbedingt an den Gehaltsvorstellungen, dazu komme ich weiter unten. Finden Sie doch einmal einen jungen, hochmotivierten und in die Unternehmenskultur eines kleinen mittelständischen Ladens integrierbaren Deutschen, der sich wie als wäre es seine Muttersprache auskennt mit Ruby Rails, Mocha, flockDB und clojure. Keine Chance. Wenn wir eine Fachkraft dann wirklich als solche bezeichnen wollen, dann geht unser Bildungssystem daran einfach vollkommen vorbei. Insbesondere das deutsche Hochschulsystem, das wird meines Erachtens bei jeder Diskussion vergessen, hatte aber auch nie den Anspruch „fertige“ Fachkräfte auszubilden. Es bietet eine sehr solide Basis, um sich zu einer Fachkraft zu entwickeln. Und in dem Punkt muss ich dann meinen Vorrednern wie Carsten und den zahlreichen nicht registrierten Usern absolut widersprechen. Es ist nicht Aufgabe der Unternehmen oder irgendwelcher Behörden, diese Fachkräfte zu entwickeln. Das ist Sache des Arbeitnehmers, eines jeden selbst, schließlich erwartet der auch das entsprechende Gehalt.

Nun ist es aber so, dass es zahlreiche Anreize gerade für junge Arbeitnehmer gibt, mit einem niedrigen Basisgehalt in das Berufsleben einzusteigen und dies kontinuierlich zu verbessern, das gilt gleichermaßen für die ebenfalls genannten Quereinsteiger. Hier bieten die Arbeitgeber genügend Fortbildungs- und Zertifizierungsmaßnahmen an. Unsere Techniker beispielsweise erhalten alle Kurse, die einen Gegenwert für das Unternehmen darstellen, zu 100% finanziert, sei es ein Microsoft MCSE oder eine Siemens SOCA. Und selbst die Bundeswehr finanziert auch heute noch Ihren technischen Angestellten den kompletten Cisco CCNA, also lasse ich die Argumente „man könne als Arbeitnehmer nichts dafür tun“ sowie die Schuldzuweisung an die Agenturen für Arbeit nicht gelten.

Es fiel bei einem unserer Kollegen der Wortlaut, die Unternehmen würden zu viel verlangen. Ich nehme hier ein reales Beispiel, das ich so vor zwei Wochen auf den Tisch bekommen habe: für die für einen Partner durch uns ausgeschriebene Stelle des „Leiter Operational IT Europa“. In diesem Zusammenhang fielen einige Begriffe, die für die Stelle nun einmal zwingend erforderlich sind, weil der Konzern diese Basistechnologien produktiv im Einsatz hat und der neue Mitarbeiter hierfür vollständig verantwortlich sein wird: fundierte Erfahrungen und Kenntnisse in Citrix/TS, ausgeprägte Fähigkeiten und Erfahrungen im Bereich Multiprojektmanagement, Microsoft MCSE wünschenswert, starke Führungspersönlichkeit und soziale Kompetenz. Klingt natürlich wie die eierlegende Wollmilchsau, aber das sind nun einmal die Voraussetzungen für den Job. Es geht hier nicht wie in einem vorigen Beitrag geschrieben um Qualifizierungen, die nur die Personalabteilungen interessieren, nein ganz im Gegenteil. Trotz der so formulierten Anforderungen landen bei uns täglich Bewerbungen des KFZ Meisters, der – in dessen Ereignishorizont – ein Serveradministrator ist, weil er dort mal einen Windows 2000 Server gebastelt hat und heute noch für sage und schreibe 10 Rechner zuständig ist. Und? Irgendwie muss man als Personaler klassifizieren…

Auf die von Harry Jacob gestellte Frage, ob die geforderten Qualifikationen nicht mit der gebotenen Entlohnung zusammen passen, möchte ich speziell für Unternehmen des kleineren bis mittleren Mittelstands beantworten. In einer Konzerndenke lässt sich das meiner Meinung nach ziemlich pragmatisch mit einem kleinen Exempel beantworten: Wenn Microsoft eine Stelle ausschreibt und einen Betrag bietet, dann wird Microsoft wohl ein angemessenes Gehalt dafür zahlen. Angebot und Nachfrage… die Frage ist dann wieder eher, ob ein deutscher Staatsbürger angestellt wird, aber sei’s drum, dazu hatten wir ja oben schon so einiges festgestellt.

Im Mittelstand, da wo wir uns bewegen, sieht das Ganze etwas anders aus. Einer meiner Vorredner konstatierte 1900,- € brutto für Admin und Softwareentwickler in einer Person. Es mag bei uns in München wieder einmal alles etwas anders sein, aber der Wert ist aus der Luft gegriffen. Diese Vorstellung spiegelt sich vielleicht beim Quereinsteiger als Desktop Support’ler ohne Ausbildung wieder, aber ganz sicher nicht bei einem Admin. Der sollte dann darüber nachdenken, ob er lieber täglich eine gute Stunde auf Rechnung arbeitet, da verdient er mehr. Interessante Theorie finden Sie? Nun ja, genauso frage ich mich bei ebenso einem meiner Vorredner, wer denn glaubt, ohne etwas Spezielles, ohne das gewisse Etwas, 100.000,- € im Jahr als Technik-Fachkraft zu verdienen. Auch hier frage ich mich, ob ein gewisser Realitätsverlust stattgefunden hat. Das kostet ein Unternehmen sagen wir zirka 80,- € netto pro Stunde, PKW und Altersvorsorge pauschalisieren wir einmal. Bei welchem Stundensatz soll ein Unternehmen solche Werte denn kostendeckend an den Kunden bringen, wenn dazu noch Gemeinkosten und „Overhead“ wie Krankheit, Verschlafen und Urlaub kommen? Wenn ich mir die einschlägigen Gehaltsspiegel so ansehe frage ich mich manchmal, wie 4.000,- € plus PKW und mehr für einen – nicht falsch verstehen – einfachen Servicetechniker verdient werden sollen.

Ganz ehrlich, bei einem gesunden Mittelmaß lassen sich sowohl Arbeitnehmer finden, als auch Arbeitgeber. Die Frage ist einfach, wie sich beide Seiten anstellen.

Aus diesem Gedanken heraus möchte ich eine weitere Überlegung nicht unausgesprochen lassen, die gerade im kleinen Mittelstand weit verbreitet ist. Ich stelle dies immer wieder fest, sei es in Kundengesprächen oder durch andere Kontakte. Hintergrund ist wieder die Frage nach der Erwartungshaltung auf beiden Seiten. Betrachten wir die Fachkraft für dieses Gedankenspiel doch einmal wirklich als eierlegende Wollmilchsau: Ist es nicht so, dass gerade in den kleineren Unternehmen die Hierarchien so flach sind, die Unternehmensstrukturen wenig ausgeprägt und die Unternehmenskultur massiv instabil, so dass diese eigentlich genau die Leute brauchen, denen Sie nicht alles von „0“ an erklären müssen?

Wenn Sie mich fragen liegt ein Großteil der in unserem Land vorherrschenden Meinungen zu diesem Thema eigentlich hier begraben, und das im wahrsten Wortsinn. Wenn ein Unternehmen nicht in der Lage ist, einem neuen Mitarbeiter Struktur und ein Feeling für Arbeitsvorgänge sauber zu vermitteln ist es gleichermaßen hoffnungslos für beide Seiten wie wenn der neue Arbeitnehmer von den grundlegenden Dingen keine Ahnung hat.

Bringen wir es zum Schluss doch auf den Punkt: Kaum ein Arbeitgeber hat so rechte Vorstellung von dem, was „der/die Neue“ wie tun soll sondern erwartet, dass der das schon können wird. Und auf der anderen Seite – seien wir ehrlich – können mindestens die Hälfte der Bewerber keine drei Sätze ohne Grammatik- und/oder Rechtschreibfehler auf ein Blatt Papier bringen und von Rentabilität, Ehrgeiz aus eigenem Elan heraus und über Leben im Sinne des Unternehmens muss man in Deutschland gar nicht erst sprechen. Genau diese Bewerber sind aber oft selbsternannte Fachkräfte. Und genau hier liegt in meinen Augen das Problem. Oder gibt es da vielleicht noch die dritte Möglichkeit? Die, wo wirklich alles passt? Da sollte sich aber so manch Bewerber einmal an die eigene Nase fassen und überlegen, ob das Gesetz der offenen Marktwirtschaft vielleicht doch greift. Da sind wir wieder bei Angebot und Nachfrage. Wenn der Bewerber wirklich zu teuer ist und der potenzielle Arbeitgeber ihn nicht bezahlen kann, dann gibt es eben keinen Job. Aber reden wir hier von Fachkräftemangel: nein, definitiv nicht. Von Fachkräftebequemlichkeit? Schon eher.

Um hier Arbeitsplätze schneller wieder zu besetzen helfen keine sechsstelligen Jahresgehälter und auch keine Schulungen durch „das Amt“. Eher noch sollte man bei der elterlichen Erziehung ansetzen. Die Diskussion führt an der Stelle leider zu weit, aber liebe Kollegen und Leser, die vielleicht über 30, 40, … sind. Stellen Sie sich folgende Frage: Wann haben Sie zuletzt Ihr eigenes Gymnasium besucht und sich einmal einen Überblick darüber verschafft, wie die Jugend heute aussieht? Das wird noch viel schlimmer werden…

Oder haben das unsere Eltern vielleicht vor 20 Jahren auch schon gesagt?

Ich erlaube mir noch ein abschließendes Wort am Rande zu den „Ober-Bossen“: Es mag sein, dass hier viel Geld verdient wird. Aber es wird schon seine Gründe haben, denken Sie doch nur einmal an die Verantwortung, die diese Menschen tragen (vielleicht gäbe es Ihr Gehalt, lieber Leser, sonst gar nicht?). Ich gehöre nicht dazu und es ist auch nicht mein Bestreben, mein ganzes Leben für einen Konzern zu opfern, der mir nicht einmal selber gehört. Aber auch solche Menschen muss es geben, und auch dort wirken die Regeln der Marktwirtschaft.

Autor: Patrick Ruppelt
aus: IT Business

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