Thunderbolt Selbstzerstörung nach sechs Monaten

Lesedauer: 6 Minuten

Erst kürzlich haben wir über die andauernden Probleme von Lenovo1)https://www.itk-security.de/lenovos-kampf-mit-nicht-funktionierenden-dockingstations/ berichtet. Dockingstations funktionieren manchmal halbwegs gut, dann wieder nicht. Und irgendwann ist Feierabend, die Geräte verabschieden sich und die Thunderbolt Anschlüsse sind irreversibel defekt.

Da Notebooks heutzutage auch über Thunderbolt aufgeladen werden, beudetet das einen Totalschaden.

Betroffen sind eine ganze Reihe von Lenovo Geräten, die in den vergangenen Jahren verkauft wurden. Um die 40 verschiedene Modelle dürften es wohl sein2)https://www.neowin.net/news/lenovo-provides-fix-for-faulty-type-c-ports-on-a-bunch-of-thinkpad-laptops.

Ursachenforschung

Wieso Hersteller über Jahre hinweg unfähig sind, auf solch gravierende Probleme zu reagieren, bleibt ein Rätsel.

Wir jedenfalls haben diesen Fehler bereits am 27.11.2018 ausführlichst an Lenovo gemeldet. Das Ticket wurde seinerzeit mangels Fachkompezenz durch Lenovo ohne Lösung geschlossen.

Einzig logisch erscheinende Erklärung ist, dass man gar nicht möchte, dass der Anwender über derartige Probleme informiert wird, denn das könnte ja zu kostenintensiven globalen Austauschwellen führen. Und das möchte kein Hersteller gerne.

Jetzt aber hat Loki Rautio3)https://www.notebookcheck.net/Editors.212978.0.html?tx_nbc2journalist_pi1%5Bmode%5D=show&tx_nbc2journalist_pi1%5Buid%5D=285, langjähriger Redakteur vom österreichischen Portal notebookcheck, mal tiefer in der Materie geforscht und nach Ursachen der Problematik gesucht.

Auch auf reddit, einem Tech Forum Portal, nimmt die Diskussion zu diesem Thema gerade ganz schön Fahrt auf4)https://www.reddit.com/r/thinkpad/comments/eszg2o/thinkpad_tb3_failure_what_we_know_repair/ nachdem sich hier herauskristallisiert, dass das eigentliche Problem gar nicht nur an Lenovo liegt sondern wahrscheinlich auch mit fehlerhaftem Code und Hardware von Intel zusammen hängt.

Vor einer halben Stunde veröffentlichte auch heise einen entsprechenden Artikel hierzu5)https://www.heise.de/newsticker/meldung/Lenovo-ThinkPad-Updates-beheben-Probleme-mit-Thunderbolt-4647100.html. So langsam springen alle Redaktionen auf den Zug auf und es kommt Bewegung in den Fall.

Das Ergebnis ist gleichermaßen erstaunlich wie erschreckend, könnte es doch ungeahnt weitreichende Folgen für sämtliche Notebookhersteller nach sich ziehen.

Wie Rautio6)https://www.notebookcheck.net/Editors.212978.0.html?tx_nbc2journalist_pi1%5Bmode%5D=show&tx_nbc2journalist_pi1%5Buid%5D=285 weiter schreibt7)https://www.notebookcheck.net/ThinkPad-Thunderbolt-3-failure-What-s-happening-why-it-s-happening-and-how-to-fix-it.451207.0.html, ist eine fehlerhafte Programmierung dafür verantwortlich, dass der sogenannte SPI-ROM Speicher des Thunderbolt Controllers kaputtgeschrieben wird. Solche Speicher sind nicht dafür bestimmt, unendlich oft mit Daten befüllt zu werden. Kommt es nun aber durch einen Bug dazu, dass der Speicher ständig neu beschrieben wird, so ist er binnen einiger Monate schlicht und ergreifend am Ende der Lebenserwartung eines solchen Speichers. Genau das scheint hier der Fall zu sein.

Erste Ausfallerscheinungen

Die offizielle Fehlerliste (englisch, für Übersetzung bitte unseren Artikel Lenovos Kampf mit nicht funktionierenden Dockingstations lesen) beschreibt aktuell folgende Ausfallerscheinungen an Thunderbolt-Anschlüssen8)https://pcsupport.lenovo.com/sk/en/solutions/ht508988:

  • USB-C port not working
  • Intel Thunderbolt controller not visible in the OS/Device Manager
  • USB-C or Thunderbolt docking stations not visible or having connectivity problems
  • HDMI output not available
  • System battery not charging with a USB-C power adapter connected to the USB-C port
  • Intel Thunderbolt pop-up error message
  • Intel Thunderbolt safe mode error message
  • BIOS Thunderbolt communication error or hang during POST
  • These symptoms may occur after 6 to 12 months of typical usage.

Alle Notebookhersteller betroffen

Wie sich nun weiter herausstellt, können die Probleme offenbar auf allen Notebooks und Computern auftreten, in denen einer der beiden folgenden Chips verbaut ist9)https://www.notebookcheck.net/ThinkPad-Thunderbolt-3-failure-What-s-happening-why-it-s-happening-and-how-to-fix-it.451207.0.html:

  • Affected Alpine Ridge controllers (2016), PCI IDs: 15bf 15d9 15d2
  • Affected Titan Ridge controllers (2018) PCI IDs: 15eba

Denn: auf allen diesen Geräten wird wohl in irgend einer Form Intels NVM firmware („Non-Volatile Memory“) verwendet.

Das klingt zunächst recht kryptisch, daher ein einfaches Beispiel zur Veranschaulichung.

Auch in meinem eigenen, ziemlich genau einem Jahr alten Flagschiff-Notebook von Toshiba – ein Portégé X30-E mit neuestem Intel i7 Prozessor, 32 GB RAM, 1 TB SSD Festplatte, … – ist eben genau so ein Intel Thunderbolt Controller aus 2016 verbaut:

Ausgabe von lspci auf meinem Linux Notebook zeigt fehlerhaften Controller

Das bedeutet ganz einfach: nicht nur Lenovo hat die fehlerhaften Chips verbaut, sondern auch andere Hersteller wie z. B. Toshiba / dynabook.

Inwiefern andere Hersteller Updates bereitstellen oder vielleicht schon bereitgestellt haben bleibt abzuwarten.

Für Geräte, die wir verkauft haben, befinden wir uns mit den Herstellern in Klärung und halten unsere Kunden selbstverständlich auf dem Laufenden.

Handlungsempfehlung

Geräte, die über uns bezogen wurden

Da unsere Notebooks generell mit vier Jahren Herstellergarantie verkauft werden, können wir dem Ganzen recht entspannt entgegen blicken. Wenn Sie ganz viel Glück haben und der Fehler schon innerhalb der ersten zwölf Monate auftritt bekommen Sie neben der kostenfreien Reparatur sogar ein Notebook geschenkt („Toshiba / dynabook Reliability Garantie“).

Was bleibt ist die Frage, inwiefern man einen Ersatzanspruch hat, wenn das Notebook an sich noch geht und man rechtzeitig ein Update einspielt, das den Fehler behebt. Denn das ändert ja grundlegend nichts daran, dass der SPI-ROM trotzdem heute schon viele Jahre gealtert ist und der Rechner demnach auf jeden Fall deutlich früher den Dienst quittieren wird, als das bei fehlerfreier Lieferung der Fall gewesen wäre.

Geräte, die über andere Lieferanten bezogen wurden

Notebooks, die über andere Kanäle (und nicht über uns) mit den üblichen maximal zwei Jahren Garantie beschafft wurden, könnten darüber hinaus auch noch wesentlich problematischer sein. Denn sechs bis zwölf Monate Betriebsdauer entsprechen mindestens 4380 Stunden – eine genaue Angabe, wie die „Betriebsdauer“ zu verstehen ist, lässt sich leider nicht finden. Aber bei einer arbeitstäglichen Nutzung von 8 Stunden an rund 240 Arbeitstagen pro Jahr sind das nur 1920 Betriebsstunden pro Jahr.

Soll heißen, der Totalschaden tritt in aller Regel erst etwa 2,3 Jahre nach Inbetriebnahme auf. Also kurz nach Ablauf der maximal zweijährigen Gewährleistung (bzw. bei Notebooks oft auch zweijährigen Standardgarantie, was in diesem Fall aber auch nichts ändert da der Mangel eindeutig bei Kauf bereits vorlag).

Ein Schelm sein, wer Böses dabei denkt… Stichwort: geplante Obsoleszenz10)https://www.duh.de/projekte/verbrauchertipps/geplante-obsoleszenz/.

patrick.ruppelt